Wie kann in Heidelberg mehr preiswerter Wohnraum für Beschäftigte geschaffen werden, um dem Fachkräftemangel im Sozialwesen und auch den damit einhergehenden starken Pendlerströmen rund um Heidelberg entgegenzuwirken? Ein möglicher Lösungsansatz, der auch auf der Online-Podiumsdiskussion der SPD-Fraktion „Beschäftigtenwohnen im Sozialwesen in HD – das geht!“ am 27.07.2021 diskutiert wurde, war das Mitarbeitendenwohnen, d.h. ein Unternehmen vermietet Wohnraum an ihre Beschäftigten.
Laut Gastreferentin Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des GdW, einem bundesweit agierenden Spitzenverband von 3000 Wohnungsunternehmen mit insgesamt 6 Millionen Mietwohnungen, ist das Mitarbeitendenwohnen derzeit stark im Kommen – ca. 100.000 Wohnungen gibt es in Deutschland. Hierbei gibt es aber nicht nur die „klassische“ unternehmenseigene Werkswohnung wie z.B. heute bei BASF und VW, die man auch noch aus den 70er Jahren kennt. Arbeitgebende können darüber hinaus selbst Wohnungen (bspw. eine Hotelkette auf Sylt) anmieten oder Belegungsrechte (wie z.B. Audi in Ingolstadt) erwerben und diese Wohnungen dann an ihre Beschäftigten weitervermieten – mögliche Partner wären hier auch die städtischen Wohnungsgesellschaften. Auch der Staat unterstützt mittlerweile: Die vergünstigten Mieten bis max. 1/3 unter Mietspiegel sind – vorausgesetzt, es besteht direkt ein Mietvertrag zwischen Arbeitgebenden und Beschäftigten – mittlerweile von Steuern und Sozialabgaben befreit – eine Win-Win-Situation für Unternehmen und Beschäftigte.
Das von der SPD-Fraktionsvorsitzenden Anke Schuster moderierte Podium diskutierte intensiv, inwieweit das Mitarbeitendenwohnen auch in Heidelberg umgesetzt werden kann und welche Rahmenbedingungen es dafür gegebenenfalls braucht. Neben Frau Esser nahmen Dr. Susanna Re (stv. Sprecherin Liga der freien Wohlfahrtsverbände & Geschäftsführerin Caritasverband), Regina Glockmann (Vorsitzende des Personalrats des Uniklinikums Heidelberg und Fachbereichsvorsitzende Gesundheit & Soziales ver.di BW), Peter Bresinski (Geschäftsführer der GGH) und Sozialbürgermeistern Stefanie Jansen an der Diskussion teil.
Alle waren sich einig, dass die alleinige Konzentration auf das Mitarbeitendenwohnen nicht ausreichend ist, um dem sich in Heidelberg immer weiter verschärfenden Fachkräftemangel im Sozial- und Gesundheitswesen effektiv entgegenzuwirken – darüber hinaus müssen auch die Arbeitsbedingungen, die Lebensrealität der Beschäftigten (z.B. Nähe zum Arbeitsplatz) und die Infrastruktur v.a. im Hinblick auf die Mobilität (ÖPNV-Anbindung) bei einer möglichen Realisation mitgedacht werden. Mitarbeitendenwohnen könnte jedoch für bestimmte Zielgruppen ein attraktives Instrument sein – dies könnten vor allem junge Beschäftigte unter 35 sein, die zu Beginn der Ausbildung oder zum Berufsantritt die Wohnung wechseln und generell mobiler auf dem Wohnungsmarkt unterwegs sind. Auch ältere Beschäftigte, die im Privatleben Umbrüche wie beispielsweise Scheidung, Trennung oder einen plötzlichen Pflegefall erfahren, könnten profitieren.
Aus Arbeitgebersicht könnte die Finanzierung von Mitarbeitendenwohnen gerade bei kleinen Unternehmen eine Herausforderung sein – Sieht man vom Uniklinikum mit mehr als 10.000 Mitarbeitenden ab, haben die Wohlfahrtsverbände in der Regel wenig Beschäftigte. Auch die GGH kann hat bei sehr geringen Fluktuationen und geringer Geschwindigkeit von Wohnungsneubauten nur wenig Spielraum, mehr Wohnraum für Unternehmen anzubieten – hier müssten auch andere Akteur*innen mit ins Boot genommen werden. Eine mögliche Lösung wäre, dass sich die Sozialverbände zusammenschließen und gemeinsam Wohnungen für ihre Beschäftigten anbieten.
Auch der Stadt kommt nach Ansicht der Teilnehmenden bei der Realisation von Mitarbeitendenwohnen in Heidelberg eine besondere und vor allem vielschichtige Rolle zu: Um neuen Wohnraum zu schaffen, brauchen die Unternehmen vor allem preiswerte Flächen, die in Heidelberg jedoch begrenzt sind – hier könnte die Stadt neben Baulandmanagement und Bauleitplanung mit einer aktiven Liegenschaftspolitik unterstützen, wie sie beispielsweise in Ulm oder in Tübingen durch Flächenankauf praktiziert wird – die so erworbenen Flächen könnten dann zu günstigen Konditionen an Interessierte im Rahmen eines Konzeptwettbewerbs mit dem Ziel der Schaffung preiswerten Wohnraums vergeben werden. Neben der Schaffung von sozial durchmischten Quartieren könnte durch diesen Ansatz zudem verhindert werden, dass das Mitarbeitendenwohnen von privaten Investoren als Spekulationsobjekt ausgenutzt wird.
Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass es sich bei der Schaffung von Mitarbeitendenwohnen in Heidelberg um ein komplexes wichtiges Thema mit viel Potential handelt, mit dem man sich auch in der Zukunft intensiv beschäftigen muss – die Podiumsdiskussion war dabei ein wichtiger Erstaufschlag mit guten Ideen und hoher inhaltlicher Tiefe. Die SPD-Fraktion wird an dem Thema in jedem Fall dranbleiben und mögliche Ideen zur Umsetzung entwickeln – und diese auch in einem Folgetermin in der Zukunft darlegen.