Straßenbahn in die Altstadt – Entscheidung nach Bürgerbeteiligungsprozess
Unbestritten ist, dass Heidelberg einen Ausbau seines Straßenbahnnetzes benötigt, um langfristig den ÖPNV auf eine wirtschaftlichere Basis zu stellen. Die SPD-Fraktion wie die SPD Heidelberg haben deshalb zu Recht in den letzten Jahren immer wieder einen Ausbau gefordert. Das jetzt geschnürte Mobilitätspaket, das mehrere neue Straßenbahnlinien und Verbesserungen des bestehenden Netzes beinhaltet, gilt es, mit Hilfe von Bundesfördermitteln zügig umzusetzen. Dazu zählt auch die Unilinie, die die Verbindungen zwischen den einzelnen Universitätsstandorten optimieren soll.
Bisherige Informationen aus der Verwaltung, explizit des Amtes für Verkehrsmanagement, zu den Bedingungen des Bundesförderprogramms gingen davon aus, dass zur Erreichung der Mindestsumme für das Bundesprogramm zwingend auch die Straßenbahn in die Altstadt realisiert werden muss, da sonst das ganze Mobilitätspaket gefährdet wäre. Jüngste Äußerungen des Oberbürgermeisters widersprechen dieser Darstellung. Laut Oberbürgermeister wird die Mindestsumme nunmehr durch Ergänzung zusätzlicher weitere Maßnahmen ins Paket auch ohne eine Altstadt-straßenbahn erreicht werden können. Damit ist eine zentrale Position der SPD-Fraktion, das Mobilitätspaket nicht zu gefährden, erreicht.
Die Sinnhaftigkeit der Altstadt- Erschließung mit einer Straßenbahn aus wirtschaftlichen und verkehrlichen Überlegungen bleibt davon unberührt. Seit Jahrzehnten empfehlen uns Gutachter diesen Schritt. Einzige realisierbare und wirtschaftlich tragbare Trasse ist die Friedrich-Ebert-Anlage.
Auch dies ist schon mehrfach gutachterlich untersucht. Zu allen Trassen liegen entsprechende Bewertungen vor. So ist eine Linienführung durch die Hauptstraße weder realisierbar noch wirtschaftlich machbar und damit nicht zielführend.
Diese Erkenntnisse sind auch die Grundlage für die derzeitige vertiefte Machbarkeitsstudie für die Friedrich-Ebert-Anlage mit breiter Bürgerbeteiligung. Die Studie wird Aufschluss darüber geben, wie stadtbild- und ökologisch verträglich die Straßenbahn in der Friedrich-Ebert-Anlage realisiert werden kann.
Bis auf den Bereich Peterskirche entsprechen die bisher erarbeiteten Pläne allerdings nicht den hohen städtebaulichen, verkehrlichen und verkehrstechnischen Anforderungen für dieses Teilstück in der Altstadt. Eingebracht und beschlossen wurde deshalb ein Antrag von SPD, Grünen, GAL und BL, neue Varianten nach städtebaulichen und verkehrlichen Kriterien zu erarbeiten. Besonderes Augenmerk soll bei dabei auf die städtebauliche Qualität des öffentlichen Raums, dem Erhalt der historischen Gebäude, Straßen und Plätze und des Baumbestandes gelegt werden (s. Antrag). Es gilt nun diese Ergebnisse abzuwarten, um dann eine Entscheidung über die Altstadtlinie unter der Abwägung der Vor- und Nachteile zu treffen.
Alle bisherigen Entscheidungen zu Erschließung der Altstadt mit einer Straßenbahn fußen auf Beschlüssen der SPD Heidelberg der letzten Jahre, so haben wir in unseren Kommunalwahlprogrammen immer wieder eine Erschließung der Altstadt mit einer Straßenbahn gefordert. Jetzt müssen wir diese Beschlüsse mit den nun möglichen Realisierungsvorschlägen abgleichen.
Für uns als SPD- Fraktion ist es wichtig, dass diese neuerliche Entscheidung gemeinsam auf breiter Basis in unserer Partei getroffen wird.
Deshalb ist es für uns selbstverständlich, dass eine Entscheidung auf einer Mitgliederversammlung der SPD Heidelberg nach Vorstellung der Ergebnisse getroffen werden muss.
Die SPD- Fraktion hat demzufolge dem Kreisvorsitzenden vorgeschlagen, im Herbst dieses Jahres eine Mitgliederversammlung zu diesem Thema einzuberufen.
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Hier noch einige Hintergrundinformationen:
Historie der Untersuchungen
Bereits 1997 wurden alle denkbaren Erschließungen der Altstadt mit der Straßenbahn untersucht, Varianten am Neckar mit und ohne Tunnel, Hauptstraße und Ebert- Anlage. Die Ergebnisse waren eindeutig und Grundlage für den Beschluss, einzig die Variante Ebert- Anlage- Uniplatz weiterzuverfolgen. In den Gutachten wurde der Trasse Hauptstraße großes Konfliktpotential zwischen Fußgängern und ÖPNV bzw. Lieferverkehr attestiert. Die Straßenbahn könnte die Hauptstraße nur in Schrittgeschwindigkeit (5 km/h) befahren, wodurch jedoch die Einhaltung eines 5- Min- Taktes gefährdet wäre. Die Hauptstraße verlöre an Attraktivität und Aufenthaltsqualität, da die Querschnitte zu eng seien. Ein wirtschaftlicher Betrieb bei dieser Geschwindigkeit ist ebenfalls nicht zu leisten.
Das Aus für die Neckar- Strecke fußte auf mangelnde Erschließungswirkung und zu großem Konfliktpotential mit dem Autoverkehr. Aktuelle Gutachten bestätigen eindeutig, dass die Varianten Hauptstraße und Neckarstaden in ausreichender Tiefe geprüft und mit plausiblen Gründen ausgeschieden sind.
Das Mobilitätspaket:
1. die Campus- Linie 21, die von der Uni Im Neuenheimer Feld über Hauptbahnhof, Kurfürstenanlage, über die Friedrich- Ebert- Anlage bis zum Uniplatz,
2. die Verlängerung der Ost- West- Linie 22 bis Schwetzingen über die Bahnstadt, Hauptbahnhof Süd, im Tausch mit der Linie 26 über Montpellierbrücke, Kurfürsten- und Ebert- Anlage zum Uniplatz,
3. den kundenfreundlichen Umbau der ÖV- Haltestelle am Hauptbahnhof
4. Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen in der Kurfürstenanlage
Gemeinsamer Antrag von SPD, Grüne/gen.hd, GAL, BL/Linke/ 15.2.2012
TOP Sachstand Mobilitätsnetz, beschlossen am 29.2.2012
Eine Straßenbahnführung in der Altstadt stellt hohe städtebauliche, verkehrliche und verkehrstechnische Ansprüche an die Planung. Es gilt insbesondere den historischen städtebaulichen Charakter des Stadtteils in seiner Eigenheit zu bewahren und die vorhandenen Grünflächen zu erhalten.
Für die Untersuchung von Varianten einer Straßenbahntrasse sind folgende Gesichtspunkte maßgeblich:
– Städtebauliche Qualität, insbesondere die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raumes
– Erhalt der historischen Gebäude, Straßen und Plätze
– Erhalt des bestehenden Baumbestandes
– Erhalt des ehemaligen Kirchhofes der Peterskirche
– Verkehrliche Leistung, insbesondere das Erschließen der wichtigen Ziel- und Quellgebiete des Verkehrs
– Potential zur Verringerung des Autoverkehrs
– Einbindung in die übrigen Elemente des Umweltverbundes
– Zuschussfähigkeit
Insbesondere die ersten drei Gesichtspunkte haben eine hohe Wertigkeit.
Für die Planung der Trassenführung in der Friedrich- Ebert- Anlage ergibt sich hieraus, dass sie nicht entlang üblicher Routine erfolgen kann, sondern dass es hierfür in besonderem Maße kreativer und innovativer Überlegungen bedarf.
Neben anderen sollen folgende Überlegungen geprüft und in Varianten dargestellt werden:
– Führung der Straßenbahn nur teilweise oder überwiegend ohne eigene Trasse (z.B. eigener Gleiskörper nur auf der Südseite)
– Führung der Straßenbahn auf der Nordseite im Mischverkehr mit MIV und Fahrrad
– Nur drei Haltestellen in der Altstadt zwischen Universitätsplatz und Friedrich- Ebert- Platz Friedrich- Ebert- Platz- Peterskirche- Universitätsplatz)
– Eventuell oberleitungsfreie Führung der Straßenbahn auf Teilstücken (z.B. Ausrüstung der Fahrzeuge mit SuperCaps oder anderen fahrzeugbasierten Energiespeichern)
– Anordnung der Trassen und der Halterung der Oberleitung, um möglichst viele Bäume zu erhalten
– Verlegung des Durchgangsverkehrs (motorisierten Individualverkehr) in Ost- West- Richtung auf die südliche Friedrich- Ebert- Anlage
– nur eine Fahrspur für den motorisierten Individualverkehr auf der nördlichen Friedrich- Ebert- Anlage
– Fahrradverkehr östlich Friedrich- Ebert- Platz nur in Ost- West- Richtung ggfs. Fahrradverkehr nur in einer hierfür ertüchtigten Plöck vorsehen
Von den Planungsvarianten, die in das Bürgerbeteiligungsverfahren eingebracht werden, muss wenigstens die Hälfte im Gemeinderat grundsätzlich mehrheitsfähig sein.