Schulalltag während der Corona-Krise: Der Unterricht findet im Idealfall per Videokonferenz statt und mittlerweile dürfen die Schüler*innen wieder für wenige Stunden in der Woche an die Schule. Die Online-Lehre ist jedoch nicht einheitlich und findet auf verschiedenen Plattformen statt – dies kann im schlimmsten Fall sogar von Lehrer*in zu Lehrer*in variieren.
Es mangelt an klaren Vorgaben vom Land – Schulen und Kommunen sind bei der Konzeption und Organisation des Schulbetriebes auf sich allein gestellt.
Eltern sind mit der Betreuung der Kinder bei ihren Schulaufgaben oft überfordert und müssen dies parallel zur beruflichen Tätigkeit stemmen. Gerade Kinder, die ohnehin Lernschwierigkeiten haben oder von zu Hause nicht bei den Aufgaben unterstützt werden können, werden durch diese Heterogenität in der Online-Lehre an Schulen und die wenigen Präsenzstunden an der Schule erheblich benachteiligt.
Von Chancengleichheit keine Spur.
„Die Schulschließungen Mitte März waren wichtig und notwendig. Es ist nunmehr fast ein Quartal seit den Beschränkungen im öffentlichen Leben vergangen und das Land, das für die Schulen verantwortlich ist, verhielt sich passiv. Außer Pressemitteilungen und der Verfassung von Corona-Verordnungen passierte nicht viel. Das betrifft nicht nur die Kultusministerin, sondern auch die gesamte grün-schwarze Landesregierung mit dem Ministerpräsidenten an der Spitze.“
Es wurden in dieser Zeit weder tiefgreifende Konzepte für einen geregelten Wiedereintritt in den Schulbetrieb erstellt noch wurden die Schulen bei der Bereitstellung von Online-Unterricht mit Soft- und Hardware unterstützt. Die Kommunikation mit Kommunen, Trägern und nicht zuletzt den Eltern war teilweise ebenfalls sehr spärlich.
„Wir haben vollstes Verständnis dafür, dass das Land in der Hochzeit der Corona-Pandemie ein umfassendes Krisenmanagement leisten und auf vielen Gebieten ‚auf Sicht fahren‘ musste. Das darf aber kein Dauerzustand sein. Jetzt ist es notwendig, geregelt in den Alltag zurückzufinden und insbesondere für Schulen ein funktionierendes Übergangsmanagement einzurichten, das bis in das nächste Schuljahr reicht.“
Dadurch hat die grün-schwarze Regierung das Vertrauen der Eltern im Land verspielt und selbst in den Reihen der grünen Gemeinderatsfraktion in Heidelberg wächst die Kritik an der Landesregierung.
“Wir als Lehrkräfte und Schulen wurden während der gesamten Zeit gefühlt alleine gelassen. Es gab zu keiner Zeit klare Anweisungen, wie Unterricht stattfinden soll, keine Verbindlichkeiten im Fernunterricht und auch keine Verlässlichkeit für Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte. Noch dazu kommt, dass vieles per Pressemitteilung kommuniziert wird oder gerne auch am Wochenende Verordnungen feststehen, aber ab Montag schon der Unterricht funktionieren soll. So muss jede Schule ein eigenes Konzept erstellen, eigene Wege gehen und Verantwortung übernehmen. Solche Konzepte müsste eigentlich das Kultusministerium geben.”
Das Land hat insbesondere gegenüber den Eltern die Pflicht, seinen Bildungsauftrag zu erfüllen und Chancengleichheit für alle Kinder herzustellen. Die grün-schwarze Landesregierung darf daher nicht die Organisation des Schulbetriebes an die Kommunen, Träger oder die Eltern delegieren, die mit der alleinigen Bewältigung dieser Herausforderung ohne klare Vorgaben schlicht überfordert sind, sondern muss selbst als oberster Schulträger strategisch und operativ anpacken und klare Vorgaben für Präsenz- und Onlinelehre definieren.
„Die Kommunen und insbesondere auch die Stadt Heidelberg versuchen ihr allerbestes, um die derzeitige Situation der Eltern so gut wie möglich zu lindern. Dafür kann man den Mitarbeiter*innen an den zuständigen Stellen innerhalb der Stadtverwaltung nicht genug danken. Dabei geht dieses Engagement weit über die Kompetenzen eines sächlichen Schulträgers hinaus und übernimmt Aufgaben, die eigentlich Sache des Landes sind. Das kann so nicht sein.
Eine vollständige Öffnung der Schulen, wie sie von einigen Eltern gefordert wird, ist aus meiner Sicht zu kurz gegriffen, da auch ein nicht unerheblicher Anteil des Lehrkörpers den Risikogruppen angehört. Daher wird Homeschooling als Teilersatz für den Präsenzunterricht weiterhin notwendig bleiben – dabei dürfen die Eltern und Kommunen nicht zu sehr belastet werden. Das gelingt aber nur mit einem funktionierenden Konzept.“
Hier müssen auch offene Fragen geklärt werden, die derzeit viele Eltern beschäftigen:
- Wie sieht es mit der Hardware aus? Wann werden endlich Laptops und Tablets bestellt?
- Wie können wir möglichst viele Schüler*innen außerhalb des Internets während Corona erreichen?
- Warum nicht die leeren Schulen für die Online Lehre nutzen?
- Eine einheitliche Online-Lehrplattform für das Land?
- Wie können Schüler*innen und Lehrer*innen im Land online kollaborativ arbeiten?
- Wie gelingt eine effiziente und verlässliche Stundenplanung während Corona?
Nicht alle Familien sind finanziell in der Lage, für jedes Kind ein eigenes Tablet anzuschaffen. Wenn mehrere Kinder aber gleichzeitig ein Tablet nutzen, führt dies unweigerlich zu Konflikten. Unter solchen Gegebenheiten kann kein Kind in Ruhe lernen, was letztendlich zu einer Benachteiligung vor allem von sozial schwachen Familien führt. Um hier eine Gleichheit bei den Bildungschancen herzustellen, ist es zwingend erforderlich, die Bedarfe von Eltern für Hardware wie Laptops oder Tablets, die für die Teilnahme am Online-Unterricht erforderlich ist, abzufragen. Seit der Schulschließung sind bereits über zwei Monate vergangen. Das sind für viele zwei verlorene Monate, weil ihnen die Ausstattung fehlt. Letzte Woche haben Bund und Länder nach Druck der SPD ein 500-Millionen-Sofort-Maßnahmenpaket beschlossen, damit die Schulen so schnell wie möglich mit Tablets und Laptops ausgestattet werden, sodass alle Schüler*innen an Fernunterricht unabhängig vom Geldbeutel der Eltern teilnehmen können. Dies muss das Land nun zügig umsetzen.
Eine andere Möglichkeit, Kinder aus allen Milieus abzuholen, ist das Fernsehen – einen Fernseher findet man in den meisten Haushalten. Warum war es bisher nicht möglich, dass der SWR als öffentlich-rechtlicher Sender im Land für den Vormittag durchgehend Schulfernsehen anbietet, wie es in Österreich oder Neuseeland bereits der Fall ist? Das hätte man ebenfalls bereits im März lancieren können. In Neuseeland werden seit März wochentags von 9 – 15 Uhr sogar ganze Unterrichtsstunden von Lehrer*innen aus dem ganzen Land im Fernsehen übertragen.
Die Räumlichkeiten der Schulen liegen derzeit mehr oder weniger brach. Hier könnten die Lehrkräfte in Kooperation mit dem Landesmedienzentrum Lehrvideos erstellen. Um die Lehrkräfte zu unterstützen, könnte man auch Lehramtsstudierende für diese Aufgabe engagieren, die dadurch die Gelegenheit erhalten würden, praktische Unterrichtserfahrung zu sammeln. Diese Lehrvideos könnten an die Schüler über Corona-Online-Stundenpläne nach Neuseeländer Vorbild zugänglich gemacht werden.
Viele Schulen und Lehrer benutzen unterschiedliche Plattformen. Warum nicht einen landesweiten Videokonferenzstandard herstellen? Hier bietet sich die Chance, an den Schulen Videokonferenz-Plattformen zur Unterstützung der Online-Didaktik einzurichten, wie es die Mannheimer Initiative „Chaos schafft Schule“, die dem Chaos Computer Club angehört, unter der Leitung des Heidelberger Gymnasiallehrers Steffen Haschler erfolgreich auf der Online-Meeting-Plattform Jitsi in Kooperation mit der Stadt Heidelberg geschafft hat. Mit zusätzlicher finanzieller Unterstützung der Hopp-Foundation konnte das Projekt auch erfolgreich in Schulen innerhalb der Metropolregion Rhein-Neckar verbreitet und durch Hilfe der SAP auch zusätzliche Videobridges, die die Stabilität der Online-Kommunikation über Jitsi verbessern, bereitgestellt werden. Dies könnte möglicherweise als Blaupause für eine landesweite Online-Lehrplattform dienen.
Was in vielen Firmen mittlerweile normal ist, muss jetzt endlich auch für Schulen kommen. Online-Plattformen sollen neben dem Online-Unterricht auch die Gelegenheit für kollaboratives Arbeiten bieten, auf der die Schüler*innen ihre Aufgaben teilen und ihre Lernmaterialien, die vorher von den Lehrkräften bereitgestellt wurden, herunterladen können. Außerdem bietet eine solche einheitliche kollaborative Plattform die Möglichkeit, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Klassenkamerad*innen wiedersehen und mit ihnen zusammenarbeiten können. Desweiteren könnten sie außerhalb der Unterrichtszeit gecoacht werden. Das wäre ebenfalls eine Aufgabe für eine digitale Task Force, die wiederum durch Lehramtsanwärter*innen unterstützt werden kann.
Nicht zuletzt muss auch die Frage gestellt werden, wie ein funktionaler Präsenzunterricht an den Schulen im Land bereitgestellt werden kann. Bisher sind die Präsenzstunden oft ungeregelt über die Woche verteilt – es besteht somit für Familien wenig Planungssicherheit. Deswegen müssen von Seiten des Landes in Kooperation mit den Schulen Konzepte für Online-Stundenpläne erstellt werden, die Online- und Präsenzlehre transparent abbilden, sodass wieder eine klare Tagesstruktur für Eltern und Kinder ermöglicht wird.
„Das Land als oberster Schulträger muss daher jetzt Verantwortung und die Führung übernehmen. Die von uns angesprochenen Fragestellungen könnten dabei als Grundlage dienen. Damit ein Beschulungskonzept erfolgreich wirken kann, ist eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen mehr als nötig – mit dem Land als Taktgeber. Zum Wohle der Kinder und der Eltern.“