Ein neues interessantes Themenfeld wurde vom Oberbürgermeister entdeckt und sogleich mit einem Beauftragten besetzt. Es geht um die Kreativwirtschaft und Heidelberg. Aus der Studie „Kreative Ökonomie“ soll man herauslesen, dass Heidelberg in diesem Themenfeld hervorragend aufgestellt sein soll. Soweit so gut. Man könnte meinen und man ist auch geneigt der Untersuchung des Geographischen Institutes auf den ersten Blick auch vollen Glauben zu schenken. Beim näheren Hinsehen tauchen dann aber doch Fragen und latente Widersprüche auf.
Der überdurchschnittliche Anteil der Wertschöpfung in diesem Bereich rührt aus den Bereichen Verlage und Software. Neben der institutionellen Förderung von Kunst und Kultur verweist die Studie auf das hohe Niveau der Förderung durch Mäzenatentum und durch Stiftungen. Und wenn man noch tiefer versucht in die Bereiche einzutauchen, stolpert man über die Tatsache, dass ein Großteil des universitären Forschungsumfeldes und deren sogenannte „High- Potentials“ auch einfach dem Bereich der Kreativwirtschaft zugeschlagen werden. Jetzt reicht der Platz im Stadtblatt nicht annähernd aus um den Begriff Kreativwirtschaft in allen Facetten aufzudröseln – nur soviel vielleicht in meinen Worten: Im Allgemeinen versteht man darunter die Erbringung von kreativen Leistungen um sich selbst, oder anderen etwas zu erbringen, was auf der individuellen Leistung der eigenen kreativen Leistung beruht. Von bildender Kunst, darstellender Kunst, Literatur, bis hin zum Verlagswesen, Webdesign, Werbetexten und komplexen Beratungsleistungen sei es im Bereich Unternehmen oder im Bereich Kommunikation. Um es vorneweg zu sagen: Das kulturelle Angebot in Heidelberg kann sich sehen lassen.
Und neben den bekannten Einrichtungen, mit den unterschiedlichen Schwerpunkten, gibt es eine große Szene freischaffender Künstler und freiberuflicher Kreativer, die im Umfeld von Industrie und der Dienstleistungsmetropole Heidelberg wichtige Arbeit leisten. Nur um etwas Wasser in den Wein zu gießen: Mir persönlich ist diese Bestandsaufnahme zu anonym, zu statisch und zu wenig zielführend.
Die Kleinverlage in Heidelberg stehen mit ihrem hochwertigen Literaturangebot ökonomisch an der Wand und überleben auf Grund des Engagements der Besitzer. Die Wissenschaftsverlage stehen mitten im Umbruch, weg vom gedruckten Buch zum Knowledgemanagement. Die Wechsel an der Spitze der Unternehmen beleuchten die Situation. Im gelobten Software- Bereich hat Heidelberg mit einem großen Unternehmen in der Stadt Glück. Das Potenzial der anderen Akteure verschwindet hinter dieser einen Firma. Das zwei Gründer der SAP in ihren Stiftungen große Vermögen eingebracht haben, neben den anderen Mäzenen, die sich dankenswerter Weise in Heidelberg engagieren ist großartig – aber kein Ergebnis gelenkter Prozesse. Damit will ich sagen, dass eine Vielzahl von Leuchttürmen in der Stadt sind – mit und ohne Unterstützung der Stadtverwaltung.
Und so stellt sich mir die Frage, was denn die Aufgabe der Stadt Heidelberg im Feld der Kreativwirtschaft sein könnte. Ohne den Beratungen vorgreifen zu wollen sehe ich hier drei Felder: Neben der Anbieterstruktur, in der Kultur in jedweder Form konsumiert werden kann, sollte die Stadt alles tun um die kreativen Potenziale bei uns zur Entfaltung kommen lassen. Das heißt beispielsweise Proberäume, Möglichkeiten für Künstler ihre zeitgenössische Kunst besser zu vermarkten, Auftrittsmöglichkeiten für Musiker und Kleinkunst.
Es bedeutet auch das Überleben der Kunstschaffenden zu sichern. Ein Maler braucht bezahlbaren Wohnraum in Zentrumsnähe, damit er seine Bilder präsentieren kann. Eine Band braucht eine Bühne zum Auftreten und ein Kleinkünstler ein Publikum. Ein Existenzgründer im Bereich Webdesign muss bezahlbare Gewerberäume vorfinden. Und weil diese kreative Humusschicht in keiner Statistik auftaucht, merkt auch niemand, dass sie seit Jahren nach Mannheim abwandert, wo die Angebotsstruktur einfach besser ist und der Wohnraum bezahlbar.
Es gehört meiner Meinung auch dazu einem Jazzclub eine Verstärkeranlage zu sponsern oder einem Jazzverein nach 55 Jahren mal mit der Renovierung der Toilettenanlage unter die Arme zu greifen. Den Kneipen, die Bands auftreten lassen, muss bei der GEMA und bei der Umsetzung von Lärmauflagen geholfen werden. Ich nenne hier nur kleine Maßnahmen, finanziell überschaubar, aber klimarelevant, wenn man eine lebendige Szene haben möchte. Ob man für die Leuchttürme, die eigenständig agieren einen Beauftragten für Kultur- und Kreativwirtschaft braucht? Heidelberg braucht einen Scout und Vernetzer für die Kreativwirtschaft mit langem Atem, der in der Szene drin ist und keinen städtisch alimentierten Leuchtturmwerter mit dem Gehalt eines Bundestagsabgeordneten, der nach einem Jahr wieder geht.